Zum Beispiel ein Test
Beispiele als Grundlage für Anforderungsanalyse, Spezifikation und Implementierung
Zum Beispiel ein Test / torstenmandry@slideshare
Einleitung
Beispiele helfen in der Analysephase die Kundenanforderungen zu verstehen und zu diskutieren. Später können diese dann als Basis für automatisierte Akzeptanztests verwendet werden. Klingt ganz einfach? In der Praxis kann es jedoch einige Hürden geben, insbesondere wenn es um die Erweiterung einer existierenden Anwendung geht. Im Vortrag werden Erfahrungen aus einem Kundenprojekt geschildert und unterschiedliche Möglichkeiten aufgezeigt um aus definierten Beispielen automatisierte Akzeptanztests abzuleiten.
Analyse und Spezifikation von Anforderungen
In dem zugrundeliegenden Kundenprojekt wurde ein bestehendes Softwaresystem um eine Reihe von neuen Features erweitert. Grundlage für die Entwicklung jedes einzelnen Features war die Aufnahme und Analyse der Kundenanforderungen und deren Überführung in eine Spezifikation des zu entwickelnden Features. Dazu wurden Anforderungsworkshops durchgeführt, in denen der Auftraggeber seine Anforderungen präsentierte und mit dem Analysten diskutierte. Die Aufgabe des Analysten bestand darin die Ergebnisse der Diskussionen in eine „Prosa“-Spezifikation zu überführen. Diese wurde anschließend vom Auftraggeber geprüft, freigegeben und schließlich zur Umsetzung an den Entwickler übergeben.
Das Ergebnis dieser Vorgehensweise war häufig ernüchternd. Das fertige Feature entsprach nur zum Teil den Erwartungen des Kunden. Missverständnisse und Spezifikationslücken wurden oft erst im Rahmen der Abnahmetests des Kunden aufgedeckt.
Ursache: Auftraggeber, Analyst und Entwickler haben die Spezifikation jeweils nach ihren eigenen Vorstellungen interpretiert und sie „so verstanden, wie sie sie verstehen wollten“. Jeder hat nach bestem Wissen und Gewissen das spezifiziert, geprüft und entwickelt was er verstanden hat. Ein gemeinsames Verständnis fehlte, es fiel über diesen Weg jedoch nicht auf.
Beispiele
Beispiele veranschaulichen und verdeutlichen Zusammenhänge und helfen dadurch Missverständnisse und Lücken aufzudecken. Im Gegensatz zu einer allgemeingültig formulierten “Prosa”-Spezifikation verlangen Beispiele konkrete Angaben.
Nachfolgend exemplarisch eine Spezifikation sowie ein dazu formuliertes Beispiel um dies zu verdeutlichen:
Spezifikation
Die Afa einer Investition ergibt sich aus dem Investitionswert, linear verteilt über den Abschreibungszeitraum, beginnend mit dem Monat der Aktivierung
Beispiel
Wenn wir eine Investition im Wert von 600 TEUR getätigt haben, die am 01.01.2012 aktiviert wurde, dann folgt daraus, bei einer Abschreibungsdauer von 60 Monaten, eine monatliche AfA in Höhe von 10 TEUR und zwar von Jan/2012 bis Dez/2016
Die Verwendung von konkreten Werten führt oft dazu, dass Fachbegriffe verdeutlicht und weitere Details aufgedeckt werden. So war in der vorliegenden Spezifikation zunächst nur von einem „Abschreibungszeitraum“ die Rede. Dass es eine definierte „Abschreibungsdauer von 60 Monaten“ gibt wurde erst durch das Beispiel offensichtlich. Außerdem werfen konkrete Beispiele häufig weitere Fragen auf, wie: „Erfolgt die Aktivierung immer am Anfang eines Monats?“ oder „Ist auch eine andere Abschreibungsdauer als 60 Monate möglich?“
Im dem zugrundeliegenden Kundenprojekt wurden in Anforderungsworkshops bis dahin nur vereinzelt Beispiele verwendet um schwierige Sachverhalte zu erklären oder um als Diskussionsgrundlage zu dienen. In den meisten Fällen wurden sie jedoch spätestens nach der Überführung in die Spezifikation verworfen. Dabei können solche Beispiele im Laufe der Diskussion wachsen und weitere Details aufdecken. Angefangen von einem grundlegenden Standardfall werden schnell Spezialfälle identifiziert und können wiederum durch entsprechende Beispiele festgehalten werden. Schnell entsteht auf diesem Weg eine Sammlung von Beispielen, die ein Feature nachvollziehbar und überprüfbar beschreibt. Beispiele, die vom Kunden oder mit dem Kunden zusammen erarbeitet werden geben auch Aufschluss darüber, was dem Kunden wichtig ist und was er vom System erwartet. Damit werden neben den Details eines Features auch die „Akzeptanzkriterien“ deutlich die der Kunde an das System stellt.
Noch wichtiger als die resultierenden Beispiele ist die Diskussion die diese auslösen. Sie führt dazu dass die Teilnehmer das Feature wesentlich intensiver beleuchten und detaillierter verstehen als dies sonst der Fall wäre.
Allerdings sind Beispiele nicht immer so einfach aufzustellen, wie es auf den ersten Blick aussieht. Es verlangt einige Übung innerhalb einer Diskussion die richtigen Beispiele zu identifizieren und sich auf die relevanten Inhalte zu beschränken. Oft existieren umfangreiche Einflussfaktoren die zu einem konkreten Ergebnis führen. Es kann mühsam sein, all diese Einflussfaktoren zu identifizieren und mit geeigneten Werten zu belegen. Das Ziel sollte daher immer sein sich auf das Wesentliche zu beschränken.
Zusammenfassend lässt sich folgende Aussage festhalten:
Durch die Verwendung von Beispielen wird die Spezifikation eines Features nicht einfacher sondern besser.
Sollen bestehende Features eines Systems geändert werden enthalten die entsprechenden Beispiele oft umfangreiche Teile des vorhandenen Systems. Werden diese innerhalb eines Anforderungsworkshops „nachspezifiziert“ entstehen häufig Aussagen wie „Das haben wir doch alles schon mal besprochen. Alles soll bleiben wie bisher, nur…“ Es hat sich in diesen Fällen als hilfreich erwiesen bereits im Vorfeld aus dem bestehenden System grundlegende Beispiele abzuleiten und diese im Workshop dem Kunden als Ausgangspunkt für die Spezifikation der Änderungen zu präsentieren.
Specification by Example
In seinem Buch “Bridging the Communication Gap” beschreibt Gojko Adzic unter dem Begriff “Specification by Example” die Verwendung von Beispielen als alleinige Spezifikation. Alle relevanten Aspekte eines Features werden dabei vollständig in Form von Beispielen beschrieben. Eine Prosa-Spezifikation ist demnach nicht mehr notwendig und entfällt.
Führt man diesen Ansatz konsequent weiter können alle definierten B eispiele in Summe als die Kriterien festgehalten werden bei deren Erfüllung das entwickelte Feature als akzeptiert (= abgenommen) gilt. Die Entwicklung erfolgt dann von Anfang an basierend auf diesen „Akzeptanzkriterien“ und der Entwickler hat sehr konkrete Vorgaben was das neue Feature leisten muss. Man spricht in diesem Fall von „Acceptance-Test Driven Development“ (ATDD).
In vielen Fällen ist der Kunde jedoch eine Prosa-Spezifikation gewohnt und sieht sie oft sogar explizit in seinem Vorgehensmodell und entsprechenden Dokumentvorlagen als Artefakt vor. Darüber hinaus lassen sich nicht alle Sachverhalte in Form von Beispielen beschreiben. Insbesondere Zusammenhänge zwischen einzelnen Sachverhalten sowie Begründungen für das geforderte Verhalten können damit nicht ausreichend beschrieben werden. Insofern wurde im konkreten Projekt ein Mittelweg eingeschlagen bei dem die Prosa-Spezifikation umfangreich durch entsprechende Beispiele ergänzt wurde. Im Prosa-Teil werden dabei neben der Problemstellung, den Rahmenbedingungen und dem Lösungsentwurf i.W. die Kern-Features sowie die wichtigsten Sonderfälle beschrieben. Die Beispiele verdeutlichen die Prosa-Beschreibung und ergänzen weitere Sonder- und Randfälle.
Vom Beispiel zum Test
Neben den bereits beschriebenen Eigenschaften von Beispielen bieten diese einen weiteren Vorteil:
Beispiele können nachgestellt bzw. ausgeführt werden
Damit sind die Beispiele aus der Analyse/Spezifikation eine optimale Grundlage zur Definition von Akzeptanztests.
Formuliert man das zuvor genannte Beispiel etwas um wird dies deutlich:
Ausgangssituation/-zustand
Wir haben eine Investition im Wert von 600 TEUR aktiviert am 01.01.2012 und eine Abschreibungsdauer von 60 Monaten
Aktion/Ereignis
Wenn wir die Afa berechnen
Erwartetes Ergebnis
dann folgt daraus eine monatliche AfA in Höhe von 10 TEUR in der Zeit von Jan/2012 bis Dez/2016
Damit können die definierten Beispiele eines Features als „Definition of Done“ für die Entwicklung festgelegt werden. Wenn alle definierten Beispiele (= Akzeptanztests) erfolgreich durchlaufen werden ist das Feature vollständig umgesetzt.
Es ist nicht zwingend erforderlich diese Akzeptanztests automatisiert umzusetzen. Sie können auch manuell ausgeführt werden. Spätestens wenn zum betreffenden Feature weitere Änderungsanforderungen vom Kunden gemeldet werden zahlt sich eine Automatisierung jedoch aus. Darüber hinaus können automatisierte Akzeptanztests regelmäßig ausgeführt werden um sich gegen Regressionsfehler zu schützen.
Im Falle einer Java-Anwendung können die automatisierten Akzeptanztests entweder mit Hilfe von Spezifikationsframeworks wie z.B. JBehave, Cucumber oder Concordion oder ausschließlich auf Basis von JUnit umgesetzt werden. In allen Fällen sollten die Tests wie eine Spezifikation lesbar sein Im Optimalfall entsteht dadurch eine „Lebenden Spezifikation“, d.h. eine Beschreibung der vollständigen Funktionalität einer Anwendung in Form von automatisierten Akzeptanztests.